Wie der Klimawandel und der Verlust der Natur mit unserer Atmung zusammenhängen

12.06.2025
Wie der Klimawandel und der Verlust der Natur mit unserer Atmung zusammenhängen

Wie beeinflussen der Klimawandel und der Verlust der Natur unsere Atmung? In diesem Artikel erfahren Sie, wie sich der Zustand unseres Planeten auf Asthma und COPD auswirkt – und warum Klimafragen auch Lungenfragen sind.

Die Klimakrise scheint oft ein fernes Problem zu sein, doch ihre Folgen sind uns so nah wie die Luft, die wir atmen. Die Forschung zeigt Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel – steigenden globalen Temperaturen durch erhöhte Treibhausgasemissionen – und den täglichen Herausforderungen für Menschen mit Asthma oder COPD.1 Zudem gibt es Hinweise darauf, dass klimainduzierte Ereignisse die Lungenfunktion beeinträchtigen: Beispielsweise setzen Waldbrände schädliche Partikel frei, die die Luftqualität verschlechtern.2

Der Klimawandel steht in direktem Zusammenhang mit der Atemwegsgesundheit – durch Ereignisse wie Waldbrände, die die Feinstaubbelastung erhöhen und Asthmaanfälle oder Atembeschwerden auslösen können“, erklärt Dr. Tari Haahtela, emeritierter Professor für klinische Allergologie an der Universität Helsinki. Menschen, die bereits mit Asthma oder COPD leben, müssen wissen, wie der Klimawandel ihre Erkrankung verschlimmern kann.

Zunehmende Risiken für die Atemwege

Mit dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen sagen immer mehr Studien eine Zunahme von Atemwegserkrankungen, Asthma und COPD voraus.

„Wir sehen bereits jetzt die Auswirkungen des Klimawandels auf die Atemwegsgesundheit – und die Risiken werden weiter zunehmen“, warnt Haahtela.

Eine Studie aus dem Jahr 2013 kam zu dem Schluss, dass der Klimawandel die Lunge sowohl direkt – etwa durch extreme Wetterereignisse – als auch indirekt beeinträchtigt: durch veränderte Allergenbelastung, längere Pollenflugsaisons, schlechtere Luftqualität und häufigere Virusinfektionen wie die Grippe.3

Zudem sagte die Studie voraus, dass Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels sind, was sich in einer Verschlechterung der Symptome wie Husten, Keuchen und Atemnot sowie häufigeren Notfällen oder Krankenhausaufenthalten äußern kann.

Ein Bericht der US-Umweltschutzbehörde (EPA) von 2023 prognostizierte, dass die klimainduzierte Erwärmung seit vorindustriellen Zeiten zu einem Anstieg der Asthmafälle bei Kindern in den USA führen werde. Bei einer Erwärmung um 2 °C bis 4 °C wird ein Anstieg der jährlichen Asthmafälle um 4 % bis 11 % erwartet. Der Global Asthma Report 2022 unterstreicht die Dringlichkeit, diese Risiken zu mindern und Maßnahmen für die Lungengesundheit zu ergreifen.4

Hitzewellen: Eine zusätzliche Bedrohung

Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) berichtete, dass die letzten acht Jahre die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren – mit immer häufigeren und intensiveren Hitzewellen. Extreme Hitze macht die Luft nicht nur drückend – sie belastet Menschen mit Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD zusätzlich.

„Bei Hitzewellen ist der Körper überfordert, seine Temperatur zu regulieren – besonders wenn das Atmungssystem bereits beeinträchtigt ist“, erklärt Haahtela und zieht den Vergleich zum Saunieren.

Während viele Menschen gern zehn Minuten bei über 80 °C in der Sauna sitzen, können Personen mit Atemwegserkrankungen diese Hitze oft nur wenige Minuten ertragen.

„Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen halten solche Temperaturen nicht so lange aus wie Gesunde. Und sie kommen bei Hitzewellen schneller an ihre Grenzen, wenn sie keinen Zugang zu kühlen Räumen haben“, so Haahtela.

Längere Pollensaisons und bisher unbekannte Bedrohungen

Auch längere und intensivere Pollensaisons verschlimmern die Symptome bei Menschen mit saisonalen Allergien und allergischem Asthma. In Finnland hat Haahtela beobachtet, dass die Birkenpollensaison inzwischen ein bis zwei Wochen früher beginnt und länger dauert als noch vor 15 Jahren.

„Für Menschen mit Birken- oder Gräserpollenallergie bedeutet das eine längere Leidenszeit“, sagt Haahtela.

In extremen Fällen kann der Klimawandel auch seltene Phänomene wie Gewitter-Asthma (Thunderstorm Asthma) auslösen: Dabei zerreißt der Sturm Pollen in winzige Partikel, die durch starke Winde tief in die Lunge gelangen können. Dies kann plötzliche schwere Asthmaanfälle auslösen – selbst bei Menschen ohne Asthma-Vorgeschichte.

„Gewitter-Asthma ist eine extreme Form der Luftverschmutzung bei bestimmten Wetterlagen“, sagt Haahtela. Er verweist zudem auf die Wüstenbildung, die als Folge des Klimawandels solche Ereignisse in Regionen wie dem Mittelmeerraum verstärkt.5

Warum die Natur für unsere Lungen wichtig ist

Extremwetter ist aber nicht die einzige Belastung für unsere Lungen. Studien belegen, dass Atemwegserkrankungen mit einem tiefergehenden Problem zusammenhängen: unserer zunehmenden Entfremdung von der Natur. Laut den Vereinten Nationen wird im Jahr 2050 voraussichtlich 70 % der Weltbevölkerung in Städten leben.

Diese Entfremdung beeinträchtigt unsere Lungengesundheit und steht laut Haahtela in direktem Zusammenhang mit dem Anstieg von Asthma- und Allergiefällen.6

„Unsere Distanz zur Natur verringert den Kontakt mit vielfältigen Mikroben und biogenen Stoffen (die wir atmen, essen, trinken oder berühren), wodurch unsere Immunreaktionen gestört werden“, so Haahtela. „Das macht es unserem Körper schwerer, zwischen harmlosen Substanzen wie Pollen oder Tierhaaren und echten Bedrohungen zu unterscheiden. Ein Leben näher an der Natur und die Rückführung natürlicher Elemente in den urbanen Raum stärken das Immunsystem – und verringern die Gefahr schädlicher Entzündungsreaktionen, die zu Asthma und Allergien führen können.“

Ein möglicher Weg, unsere Lungen vor den Folgen des Klimawandels und des Naturverlusts zu schützen, könnte also in unserer Beziehung zur Natur liegen. Haahtela betont: Die enge Verbindung zwischen unserem Wohlbefinden und der Gesundheit des Planeten ist ein weiterer guter Grund, die Erde zu schützen.

„Indem wir uns der Natur wieder mehr annähern und bewusste Lebensentscheidungen treffen, schützen wir nicht nur unsere Lunge – wir stärken auch unsere Verbindung zu dem Planeten, der uns erhält.“



Quellen:

1 Andersen ZJ, Vicedo-Cabrera AM, Hoffmann B, et al. Climate change and respiratory disease: clinical guidance for healthcare professionals. Breathe. 2023;19:220222. https://breathe.ersjournals.com/content/19/2/220222
 
2 Wilgus ML, Merchant M. Clearing the air: Understanding the impact of wildfire smoke on asthma and COPD. Healthcare (Basel). 2024 Jan 25;12(3):307. doi: 10.3390/healthcare12030307. PMID: 38338192; PMCID: PMC10855577. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38338192/
 
3 Barnes C, Alexis NE, Bernstein JA, Cohn JR, Demain JG, Horner E, Levetin E, Nei A, Phipatanakul W. Climate change and our environment: The effect on respiratory and allergic disease. J Allergy Clin Immunol Pract. 2013 Mar;1(2):137-41. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3654689/


4 Global Asthma Report 2022. https://www.globalasthmareport.org/


5 Kevat A. Thunderstorm asthma: Looking back and looking forward. J Asthma Allergy. 2020;13:293-299. https://doi.org/10.2147/JAA.S265697


6 Haahtela T, Laatikainen T, von Hertzen L, et al. A short history from Karelia study to biodiversity and public health interventions. Front Allergy. 2023;4:1152927. doi: 10.3389/falgy.2023.1152927. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36998574/